MDE auf den Punkt gebracht. Das 1x1 der Maschinendatenerfassung
… und 9 Begriffe die Sie kennen sollten
Jede Maschine der industriellen Fertigung produziert „ganz nebenbei“ wichtige Informationen: Prozess- und Produktdaten. Diese Daten sind die zentrale Ressource für gewinnbringende Optimierungen – WENN die Daten entsprechend erfasst und genutzt werden: das große Thema der Maschinendatenerfassung.
Die Maschinendatenerfassung, kurz MDE, beschreibt die „Nahtstelle“ zwischen (1) der Maschine, die die Daten produziert, und (2) dem digitalen Erfassen, Speichern und Verarbeiten dieser Daten. Die MDE ist somit die elementare Voraussetzung für die datengetriebene Produktion, bekannt unter den Begriffen „Industrie 4.0“ und „Smart Factory“.
Einer gut gelösten MDE gelingt es, Daten bereitzustellen, die eine völlig neue Transparenz im Shopfloor schaffen. Auf diesem Weg ermöglicht sie (a) die Optimierung der Produktionssteuerung und deckt (b) bisher ungenutzte Potenziale der Prozessoptimierung auf.
Das führt (klug genutzt) im gesamten Shopfloor zur nachhaltigen Erhöhung von Effizienz, Flexibilität und Qualität. Nicht umsonst gilt die Verwendung von Maschinendaten als wesentlicher Faktor der Leistungssteigerung – und somit der Wettbewerbsfähigkeit jedes produzierenden Unternehmens. Werfen wir daher einen Blick auf die zentralen Zusammenhänge und Begriffe, die Licht ins spannende Feld der Maschinendatenerfassung bringen.
Das WAS: Klassifizierung
Produktionsmenge, Auslastung, Laufzeit, Verfügbarkeit, Verlässlichkeit, Maschinenzustand, Energieverbrauch – Beispiele für Informationen, die an einer Maschine anfallen bzw. einer Maschine oder Anlage entnommen werden können – und somit klassische Maschinendaten.
Grundsätzlich lassen sich Maschinendaten in zwei Kategorien unterteilen.
Prozessdaten:
Dazu zählen alle Informationen, die zum Betrieb der Maschine notwendig sind plus alle durch den Betrieb der Maschine direkt erzeugten Daten. In erster Linie sind das Steuerungsdaten. Aber auch Verbrauchsdaten z.B. Stromverbrauch zählen zu den Prozessdaten.
Produktdaten:
Sie werden an den Verarbeitungseinheiten gemessen und geben wertvolle Informationen über den Produktionsverlauf. Und auch für die Sicherung der Qualität der Produktion sind Daten wie Stückzahl, Gewicht, Abmessungen, Temperatur und die Unterscheidung von Gut- und Ausschussteilen etc. unerlässlich.
Egal welche Daten Sie schlussendlich nutzen wollen, Schritt 1 ist die Datengewinnung. Die Herausforderung an dieser Stelle: die Vernetzung Ihrer Maschine(n).
Das WOHER: Vernetzung
Die Maschinendaten können auf verschiedenen Wegen gewonnen werden. So können etwa steuerungsunabhängige Sensoren bestimmte Vorgänge erfassen. Oder die Daten werden direkt aus der Maschinensteuerung in einen Datenlogger gespeichert bzw. online zur Verarbeitung bereitgestellt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Maschinendaten häufig nach wie vor manuell erfasst werden. Das liegt daran, dass die automatisierte MDE eine durchgängige Vernetzung erfordert.
Drei Unterscheidungen erleichtern das Verständnis der Herausforderungen der Maschinenvernetzung. Denn die Fähigkeit zur Anbindung in ein Netzwerk ist von Maschine zu Maschine sehr unterschiedlich:
IP-basierte Vernetzung:
Zur automatisierten Datengewinnung müssen Maschinen und Sensoren mit entsprechenden Netzwerk-Komponenten ausgestattet sein. Denn sie ermöglichen den Anschluss an ein Netzwerk und damit den Datenfluss. In der Industrie hat sich dafür die IP (= Internet Protocol) basierte Vernetzung durchgesetzt. Das Medium, über das die IP-Kommunikation läuft, können ein Ethernet-Kabel, W-LAN, 5G, etc. sein.
Bussysteme:
Vernetzungen, die mit speziellen Bussystemen aufgebaut sind, stellen für die MDE eine Herausforderung dar – allerdings keine unüberwindbare. Zwar eignen sich Bussysteme wie z.B. Modbus, EtherCAT, EtherNet/IP, Profinet, Profibus, CAN nicht direkt für die Maschinendatenerfassung. Mit einer Connectivity Lösung jedoch (siehe unten) können die gewünschten Daten aus den Maschinen ausgelesen werden.
Connectivity-Lösung:
Moderne Maschinen haben Steuerungen, die von Haus aus mit einer Netzwerkanbindung ausgestattet sind. Diese können (siehe oben) ganz unterschiedlich sein – eine Hürde, wenn alle in EIN Netzwerk eingebunden werden sollen. Bei älteren Maschinen und Eigenentwicklungen ist die Herausforderung eine nochmals andere: Hier sind meist keine Netzwerkanbindung gegeben.
In beiden Fällen ist die Lösung ein sogenanntes „Connectivity-Tool“. Diese Hard-/Software-Lösung ist in der Lage, die erforderlichen Daten direkt dort abzugreifen, wo sie entstehen: an der entsprechenden Stelle der Anlage/Maschine. Unabhängig von Alter, Hersteller, Eigenentwicklung etc. Im Falle von Maschinen mit unterschiedlichen IP-basierten Vernetzungsmöglichkeiten ist das Tool fähig, diese trotz ihrer Unterschiede einzubinden. Das Ergebnis ist ein einheitlicher Layer, über den alle Maschinen des Shopfloors verbunden sind (und auch alle künftigen eingebunden werden können).
Der zentrale Punkt zum „Mitnehmen“: Für das WOHER der Daten gibt es eine Lösung. AUCH bei einem heterogenen Maschinenpark. Das ist wichtig, weil die Herausforderungen der Maschinenanbindung oft als unüberwindlich gesehen werden (und damit als zentrales Hindernis auf dem Weg in die Industrie 4.0). Doch das sind sie nicht.
Das WIE: Protokolle und Standards
Beginnen wir so: Jede Sprache basiert auf Codes und Regeln. Wer die Codes und Regeln kennt, versteht die Sprache.
Übersetzt auf unser Thema MDE: Jede Maschine spricht ihre eigene Sprache. Welche das ist, legt das Kommunikationsprotokoll fest. Unter diesem Begriff wird in der Informatik eine Vereinbarung verstanden, nach der die Datenübertragung zwischen zwei oder mehreren Parteien abläuft – das oben erwähnte Set aus Codes und Regeln.
Jetzt kommt der interessante Punkt: Die Kommunikationsprotokolle können standardisiert sein – oder proprietär (= herstellergebunden).
Proprietäre Protokolle:
Bei einem proprietären Protokoll hat der Hersteller ein eigenes Set von Codes und Regeln definiert. Das kann durchaus entscheidende Vorteile haben (z.B. ist die Kommunikationsgeschwindigkeit dadurch meist hoch optimiert). Sobald die so „sprechende“ Maschine allerdings mit anderen Komponenten kommunizieren soll (mit anderen Maschinen, mit einer MDE-Software-Lösung …), stellen sich die Probleme ein. ALLERDINGS: keine, die sich nicht überwinden lassen. Denn das weiter oben beschriebene Connectivity-Tool ist auch hier die Lösung. Entweder, indem das „mehrsprachige“ Connectivity-Tool das Protokoll in eine gängige Sprache übersetzt. Oder indem es (wie oben beschrieben) die Daten direkt abgreift und anschließend „übersetzt“.
Standardisierte Protokolle:
Sie sind von Verbänden und Konsortien definiert worden, um die Nachteile der proprietären Protokolle zu vermeiden. Auch hier lassen sich verschiedene „Sprachen“ unterscheiden. Inzwischen haben sich allerdings Standards etabliert:
- OPC UA: der Standard, der sich für die Maschinendatenerfassung in der Industrie durchgesetzt hat
- MQTT: vor allem im Umfeld des Internet of Things, IoT, zu finden
- MTConnect: speziell für den Bereich Werkzeugmaschinen entwickelt
Das Takeaway auch hier: Egal, welche Kommunikationsprotokolle die Maschinen Ihres Shopfloor verwenden (– und egal, wie groß die „babylonische Sprachverwirrung“ derzeit ist), es ist wiederum das Connectivity-Tool, das die Übersetzung und damit die Lösung liefert: indem es alle im Shopfloor „gesprochenen Sprachen“ (= Protokolle) in den gewünschten Standard übersetzt.
Das WOHIN: Zielsysteme
Sie erfassen Ihre Maschinendaten nicht, damit sie erfasst sind. Sie wollen aus Ihrer MDE Erkenntnisse gewinnen. Also Einsichten und Entscheidungsgrundlagen, die Sie dabei unterstützen, die Leistungsfähigkeit und die Qualität Ihrer Produktion zu sichern und zu optimieren. Dafür geben Sie Ihre Maschinendaten an ein geeignetes Zielsystem weiter, meist eine MES-Software oder eine ERP-Lösung.
MES – Manufacturing Execution System:
Der Titel Manufacturing „Execution“ System leitet sich aus der Kurzdefinition der Aufgabe der Software-Lösung ab: „Ein MES dient der fortlaufend steuernden Durchsetzung (Execution) einer bestehenden und gültigen Planung und der Rückmeldung aus dem Prozess“*. Oder, anders gesagt: Ein MES ermöglicht die digitale Führung, Lenkung, Steuerung und Kontrolle der Produktion in Echtzeit. Wie „ausgefeilt“ das System dabei vorgeht, ist von Lösung zu Lösung unterschiedlich. Als Datenressourcen werden Betriebsdaten (BDE), Maschinendaten (MDE) und Personaldaten verwendet, aber auch Daten anderer Prozesse, die eine zeitnahe Auswirkung auf den Fertigungs-/Produktionsprozess haben.
ERP – Enterprise Resource Planning:
Eine ERP-Lösung ist im Unternehmen „höher“ angesiedelt, als ein MES. Denn ein ERP-System soll weitgehend ALLE Geschäftsprozesse eines Unternehmens abbilden. Das Ziel des ERP ist eine durchgehende Integration und eine Abkehr von „Insellösungen“, um die Ressourcen des Unternehmens (Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material, Informations- und Kommunikationstechnik) vernetzt verwalten und optimieren zu können. Zusätzlich sind ERP-Systeme darauf ausgerichtet, den Kommunikationsfluss im Unternehmen verbessern und die Zusammenarbeit im Unternehmen effizienter zu gestalten.
Was haben nun beide Systeme gemeinsam? Beide, MES und ERP, sind als Software-Lösungen darauf angewiesen, dass die Daten aller Maschinen und Anlagen zur Verfügung stehen (denn sie gewinnen die Daten nicht, sie verarbeiten sie „nur“). Und das einheitlich und ohne „babylonische Sprachverwirrung“. Eine Voraussetzung, die mit der entsprechenden Connectivity-Lösung gelingt. Ihre Maschinendatenerfassung steht auf technisch perfekten Beinen.
*Kurzdefinition MES/Manufacturing Execution System, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Manufacturing_Execution_System